Berlin-Wahlen 2021 - Berliner wählten auch noch nach 20 Uhr
"In 20 Jahren nicht erlebt": Erfahrene Wahlhelfer schütteln die Köpfe über die Zustände bei der Berlin-Wahl. Probleme machten etwa fehlende Wahlzettel. Wähler gaben auch nach 20 Uhr noch ihre Stimme ab.
Lange Schlangen bis zum Schluss: In Berlin warteten Wählerinnen und Wähler teilweise deutlich nach 18 Uhr immer noch darauf, um ihre Kreuze zu setzen. In einem Wahllokal im Bezirk Pankow hatten die Letzten gegen 18:45 Uhr ihre Stimmen abgegeben, in Reinickendorf standen gegen 19 Uhr noch bis zu 20 Menschen auf dem Gehweg vor einem Wahllokal.
In Wilmersdorf wurde an einer Stelle um 19:30 Uhr die letzte Stimme abgegeben. In einem Wahllokal in Weißensee standen auch um 19:30 Uhr noch zehn Leute in der Warteschlange. Ein ähnliches Bild gab es vor einem Wahllokal am Teutoburger Platz im Prenzlauer Berg.
Landeswahlleitung: Unklar, wie lange gewählt wurde
Schon den ganzen Tag über war es zu langen Wartezeiten gekommen, Wahlberechtigte mussten mitunter länger als eine Stunde bis zum Kreuz in der Wahlkabine anstehen. Der Bezirk Mitte meldete für das Wahllokal 100 zeitweise sogar Wartezeiten von mehr als zwei Stunden.
Ein Wähler aus Berlin-Köpenick schrieb rbb|24, er habe fünf Stunden auf die Stimmenabgabe gewartet, es gebe dort keine Sitzmöglichkeiten für Senioren. Manche Wähler gäben auf und verzichteten auf ihre Stimmenabgabe, heißt es in der Zuschrift.
Laut der Berliner Landeswahlleitung sei unklar, wie lange in der Hauptstadt noch Stimmen abgegeben wurden. Ein Sprecher sagte gegen 20:10 Uhr, dass er mit einigen Bezirken gesprochen habe. Diese hätten ihm nicht bestätigt, dass noch gewählt werde. In den kommenden Tagen sollen laut Landeswahlleitung die Probleme beim Ablauf aufgearbeitet werden. Jetzt sei das Ziel, die Wahl erfolgreich über die Bühne zu bringen.
Nicht genug Stimmzettel in Wahllokalen
Im Wahllokal in einer Grundschule am Teutoburger Platz in Berlin-Prenzlauer Berg waren um 18:30 die Stimmzettel ausgegangen. "Alle, die jetzt gerade hier auf dem Hof stehen, dürfen hoffentlich heute noch wählen, sobald die Stimmzettel da sind.", ist auf dem Video einer Userin zu hören, die in der Warteschlange steht.
Auch in einem Wahllokal in Wilmersdorf waren am Mittag Wahlzettel ausgegangen, hier war die Polizei gerufen worden, um sie nachzuliefern. Aber auch die Polizei hatte wegen des Berlin-Marathons Schwierigkeiten durchzukommen, sagte eine Polizeisprecherin dem rbb.
rbb|24 erreichten zudem zahlreiche weitere Zuschriften von Userinnen und Usern, die über ähnliche Probleme berichten. So hätten in einem Wahllokal im Bezirk Marzahn-Hellersdorf die Abstimmungszettel für den Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne gefehlt.
Die Organisatoren des Berliner Marathons wiesen die Verantwortung für die Pannen bei der Wahl zurück. "Wir haben als Organisator des BMW Berlin-Marathon alle Zusagen gegenüber den Institutionen eingehalten", sagte Jürgen Lock, Geschäftsführer des Marathon-Organisators SSC Events, laut Mitteilung. Wie im Jahr 2017 seien die Organisatoren seit Jahresbeginn mit den Verantwortlichen von der Landeswahlleitung bis zur Bezirksebene in enger Abstimmung gewesen. "So wurden auch heute alle
Streckensperrungen rechtzeitig nach und nach wieder aufgehoben und zusätzliche Querungsmöglichkeiten für Notfall-Lieferungen in Wahllokale geschaffen.", so die Organisatoren.
Stimmzettel in Wahllokalen vertauscht
In Wahllokalen in Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf waren zudem Stimmzettel vertauscht worden. Die Wahllokale mussten vorübergehend geschlossen werden.
In den Wahllokalen 404, 407 und 408 in der Spartacus Grundschule in Friedrichshain lagen nach Angaben aus dem Wahllokal für die Abgeordnetenhauswahl nur Stimmzettel aus Charlottenburg/Wilmersdorf vor. Bis die richtigen Stimmzettel nachgeliefert wurden, mussten die Wahllokale zeitweise geschlossen werden. Auch anschließend ging es nur mit Verzögerungen weiter. Zudem mussten einige Stimmabgaben auf falschen Stimmzetteln für ungültig erklärt werden.
Landeswahlleiterin bestätigt die Pannen
Die Landeswahlleiterin Petra Michaelis bestätigte am Sonntagnachmittag dem rbb, dass es in Berliner Wahllokalen zu mehreren Pannen gekommen ist. Wie viele Wahllokale betroffen sind, konnte sie derzeit nicht sagen.
Dass in manchen Wahllokalen Stimmzettel zum Volksentscheid bei den überreichten Stimmzetteln fehlten, sei ihr allerdings nicht bekannt. Zu den langen Warteschlangen vor vielen Wahllokalen hieß es: Wer bis 18 Uhr in der Schlange stehe, dürfe noch wählen.
Ein Mitarbeiter der Landeswahlleitung sagte, man werde nach der Wahl das Gespräch mit den Bezirkswahlämtern suchen. Jetzt ginge es darum, die Wahl geordnet zu Ende zu bringen, "danach kümmern wir uns um die Aufklärung.", so der Mitarbeiter.
Der Bundeswahlleiter schrieb beim Kurznachrichtendienst Twitter, dass es wegen vertauschter Stimmzettel in einigen Berliner Wahllokalen zu Verzögerungen und ungültigen Stimmabgaben gekommen sei. Es lägen aber kein Hinweise vor, dass Stimmzettel für die Bundestagswahl fehlten.
Kranke Wahlhelfer, fehlender Wahlbüroleiter, falsche Stimmzettel
Bereits am Sonntagvormittag waren Schwierigkeiten und Verzögerungen in manchen Berliner Wahllokalen bekanntgeworden. So hatten einige Wahlhelfer kurzfristig abgesagt. Nach Informationen der rbb-Abendschau haben sich allein am Samstag im Bezirk Pankow 70 Personen krank gemeldet. In den Tagen davor habe es bereits 200 Krankmeldungen gegeben. Sie wurden nach Angaben aus der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin über Nachrückerlisten nachbesetzt.
Probleme gab es nach rbb-Informationen auch in einem Wahllokal in Spandau: Dort war am Sonntagmorgen der Wahlbüroleiter nicht erschienen. Das Wählerverzeichnis musste daraufhin von der Polizei abgeholt werden.
Zwei Berliner Wahllokale öffneten erst später
In zwei Wahllokalen, die beide im Gebäude der Beuth Hochschule für Technik in der Luxemburger Straße in Berlin-Mitte liegen, gab es am Sonntagmorgen technische Probleme: Wegen einer Panne bei der elektronischen Schließanlage kam das Wahlteam nicht rechtzeitig wie in das Gebäude der Mensa Nord des Studierendenwerkes, weshalb die dortigen Wahllokale 102 und 106 nicht pünktlich um 8 Uhr öffnen konnten.
"Wir mussten die Feuerwehr rufen, die mit dem Notschlüssel das Gebäude öffnen konnte“, sagte Wahlvorsteher Alexander Radebach der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Vor dem Gebäude hatte sich eine Schlange von Wählerinnen und Wählern gebildet. Sie mussten etwas warten, bevor alles wieder regulär lief. Ihm sei kein Fall bekannt von jemandem, der deswegen nicht wählen konnte.
User berichten über Mängel bei Organisation
User beklagten, dass es in manchen Wahllokalen nur zwei Wahlkabinen gebe, die zudem in sehr kleinen Räumen untergebracht seien. Es herrsche teilweise dichtes Gedränge, Corona-Abstandsregeln könnten kaum eingehalten werden, so etwa ein User aus Karow.
Neben der Bundestagswahl finden in Berlin am 26. September auch die Wahlen zum Landesparlament, dem Berliner Abgeordnetenhaus, statt sowie die Abstimmung über den Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co enteignen" und über die Zusammensetzung der zwölf Bezirksparlamente.
Sendung: Abendschau, 26.09.2021, 19:30 Uhr