Wahlkampf mit Klaus Lederer - Der dienstälteste Junior Berlins
Noch einmal führt Klaus Lederer die Berliner Linken in einen Wahlkampf. Das Ziel ist klar: Weiter mit SPD und Grünen regieren, trotz der zuletzt ziemlich miesen Stimmung in der Koalition. Die Themen der Linken sind altbekannt – die Probleme auch. Von Sebastian Schöbel
Dieser Text ist Teil einer Reihe von Reportagen, welche die Spitzenkandidat:innen der sechs im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien im Wahlkampf begleiten.
"Wer sind Sie denn?" Was in fast jedem anderen Dialekt der deutschen Sprache wie eine unschuldige Frage klingt, kommt auf Berlinerisch leicht aggressiv rüber. Dabei meint es der ältere Herr mit der grauen Strickmütze, der Klaus Lederer am Wahlkampfstand der Linken in Friedrichshagen in ein Gespräch verwickelt hat, gar nicht böse. Er gestikuliert etwas ratlos mit der Hand, Leder lächelt ihn an, halb erwartungsvoll, halb herausfordernd. "Klaus Lederer ist mein Name", löst der amtierende Kultur- und Europasenator von Berlin das Rätsel schließlich selbst auf. "Ach ja, im Fernsehen!" Lederer muss lachen. "Hin und wieder auch das."
Festgelegt auf Rot-Grün-Rot
Dass er im medialen Kopf-an-Kopf-Rennen ums Rote Rathaus eher selten genannt wird, weiß Klaus Lederer. Dafür ist er schon zu lange dabei: Mehr als sein halbes Leben ist der gebürtige Schweriner in der Berliner Politik aktiv, seit gut 28 Jahren. Kein anderer Spitzenkandidat bei dieser Wahlwiederholung hat so viel landespolitische Erfahrung wie er. Eine Regierung anführen wird er voraussichtlich dennoch nicht. Weiter mitregieren wollen die Linken aber schon – was laut aktuellen Umfragen aber wieder nur als Juniorpartner mit SPD und Grünen geht. "Wir waren als Linke nie in der Position, dass wir uns groß Konstellationen wählen konnten", antwortet Lederer beinahe trotzig. "Haben trotzdem immer Wahlkampf gemacht. Mit guter Laune und manchmal auch Erfolg."
Wobei für gute Laune zuletzt kaum Anlass war: Im Bund ist die Linke tief zerstritten, das Lager um die russlandfreundliche Sahra Wagenknecht spaltet die Partei vor allem in der Frage, wie man zum Krieg in der Ukraine und der Nato steht. Der Berliner Landesverband positionierte sich früh und lautstark gegen Wagenknecht, mahnte zur klaren Positionierung gegen Kreml-Machthaber Waldimir Putin und dessen Angriffskrieg. Trotzdem hängen den Linken in der Bundeshauptstadt der parteiinterne Richtungsstreit und die vier desaströsen Landtagswahlen des vergangenen Jahres wie ein Mühlstein um den Hals.
Die Außenpolitik holt Lederer auch in Köpenick am Wahlkampfstand ein. Früher habe er mal Linke gewählt, grummelt ein Passant beim Vorbeigehen, den Flyer lehnt er ab. "Aber jetzt die Haltung zur Ukraine, ganz schlimm." Was genau den Mann ärgert, bleibt unklar. Lederer aber reagiert sofort. "Sie finden den Überfall Putins in Ordnung?", fragt er mit scharfem Unterton. Darum gehe es nicht, sondern "um die Vorgeschichte", rechtfertigt sich der Mann. "Müssen Sie mal nachlesen." Lederer verzieht das Gesicht. "Die Vorgeschichte ist: Putin hat die Ukraine überfallen." Der Mann wendet sich ab, der Spitzenkandidat auch. Es ist nicht das einzige Gespräch dieser Art an diesem Tag – auch wenn es selten so konfrontativ abläuft.
Lieber Müggelturm statt Moskau
"Außenpolitik wird nicht in Berlin gemacht", resümiert Lederer einmal schnippisch. Lokale Probleme liegen ihm auch mehr. Zum Beispiel, als sich eine resolute alte Dame vor ihm aufbaut. Er überragt ihren rot gefärbten Schopf so sehr, dass er sich tief hinabbeugen muss. "Lederer" ruft die Dame laut. "Kann ick Ihnen ma'n Ufftrach jeben?" Lederer lacht und antwortet mit gespielter Unterwürfigkeit. "Aber selbstverständlich!" Sie ärgere sich, erklärt die Dame. "Unser wunderbarer Müggelturm: Dit Restaurant is jeschlossen, da is tote Hose." Das Kaffeetrinken mit ihrer Rentenergruppe sei deswegen fast ins Wasser gefallen. Er stecke nicht im Detail drin, sagt Lederer und berlinert dabei mehr als sonst. "Aber ick mach mich ma schlau."
Es sind viele solcher Gespräche, die Klaus Lederer am liebsten führt. Dann kann er ohne großen Aufwand auf seine Bilanz als Kultursenator hinüberleiten. Als Krisenmanager und Geldbeschaffer in der Pandemie hat er sich Meriten verdient. Für seine Wahlkampfauftritte sucht er deswegen auch die Nähe zu Kultureinrichtungen, die seine Verwaltung gefördert hat. Er stehe doch für Künstler, lobt ihn eine Passantin. Seinen Flyer brauche sie nicht. "Ist schon klar, wen ich wähle."
Zuhause wartet Inspektor Barnaby
Dabei will die Linke nicht nur als Förderer der Kultur punkten: mehr sozialer Wohnungsbau, stärkerer Mieterschutz, die Vergesellschaftung von wichtiger Infrastruktur und Wohnungen, das alles schreibt sich die Linke auf die Fahne. In der Hoffnung, dass nach drei Jahren Krise und dem Ruf nach einer spendablen öffentlichen Hand auch die Wahlergebnisse der Linken wieder besser werden. Ob die Rechnung aufgeht, soll die Berliner Wiederholungswahl zeigen – und zwar für die gesamte Partei.
Dafür quält sich Lederer durch den Winterwahlkampf. Sein Mann habe ihm extra Thermo-Unterwäsche geschenkt. Privatleben habe er derzeit kaum. "Wenn ich mal zuhause bin, schalte ich ab und schaue Inspektor Barnaby oder Pater Brown." Mehr als einen halben Tag in der Woche bleibe dafür aber gerade nicht.
rbb24 Abendschau, 31.01.2023, 19:30 Uhr