Wahlkampf mit Sebastian Czaja - Es grüßt der Mann vom gelben Flyer

Di 31.01.23 | 07:33 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Sebastian Czaja an einem Stand seiner Partei mit Prospekten in der Hand.(Quelle:rbb)
Video: rbb24 Abendschau | 30.01.2023 | Agnes Sundermeyer | Bild: rbb

Sebastian Czaja ist noch keine 40, führt die FDP aber schon zum dritten Mal in eine Wahl. Die Partei kämpft ums Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde, hofft aber auch auf eine Regierungsbeteiligung. Alles hängt an dem Mann aus Mahlsdorf. Von Sebastian Schöbel

Dieser Text ist Teil einer Reihe von Reportagen, welche die Spitzenkandidat:innen der sechs im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien im Wahlkampf begleiten.

"Guten Morgen, darf ich Ihnen noch was mitgeben?" Sebastian Czaja steht an einem kalten Januarmorgen in Zehlendorf und wirbt um Wählerstimmen. Es ist ein Samstag, viele Leute hier sind auf dem Weg zum Supermarkt ein paar Meter weiter. Auf der Potsdamer Chaussee rauscht der Verkehr vorbei.

Den Stand mit Sonnenschirm in FDP-Gelb sieht man schon von weitem. "Ich mag Mandeln total, schau'n se mal", sagt Czaja zu einer älteren Dame und hält ihr einladend die Dose mit den gezuckerten Nüssen hin. "Dit jeht uff die Fijur", berlinert die Frau herzlich zurück. "Sag ich doch", antwortet Czaja grinsend. "Wir geben Ihrer Stimme Gewicht."

Um schnelle, spontane Antworten war Sebastian Czaja noch nie verlegen. Selbst seine politischen Gegner erkennen an, dass der 39-Jährige zu den besten Rednern im Berliner Parlament gehört. Mit einem Hang zur Arroganz, schieben dann manche noch hinterher. Trotzdem heißt es unter Beobachtern des politischen Betriebs, dass Czaja zuletzt mehr Oppositionsführer war als CDU-Chef Kai Wegner. Vielleicht macht Czajas Partei auch deswegen so offensiv Personenwahlkampf mit seinem Namen und vor allem seinem Gesicht.

Den Herrn Lindner kennt er auch

Wobei das noch nicht immer ganz reibungslos klappt. "Und Sie sind der, der hier drauf steht", fragt ihn eine Passantin am Wahlkampfstand unsicher und zeigt auf den FDP-Flyer. Czaja bejaht. Die Dame zeigt sich zufrieden, sie findet Czaja sympathisch. "Wenigstens haben Sie nicht so eine Piepsstimme wie die Frau Giffey." Czaja lächelt, sagt aber nichts.

Die Begleiterin der Dame wünscht sich dann noch ein Treffen mit FDP-Chef Christian Lindner. "Der ist hier doch mein Nachbar", sagt sie und gestikuliert in die ungefähre Richtung. Ob Czaja den Herrn Lindner nicht mal fragen könne, ob der die Straße einlädt, um sich vorzustellen. "Macht er bestimmt. So gehört es sich doch, wenn man der neue Nachbar ist", verspricht Czaja. "Soll ich ihn fragen? Mache ich, wirklich."

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Politisch mit Bruder Mario Czaja entzweit

Zum dritten Mal führt der gebürtige Ostberliner seine Partei in eine Wahl. Der Name Czaja ist in Berlin beinahe Politprominenz: Sein Bruder Mario ist inzwischen CDU-Generalsekretär.

Früher waren sie gemeinsam in Marzahn-Hellersdorf bei den Christdemokraten. Dann knallte es zwischen den Brüdern, es ging unter anderem um Sebastian Czajas Vorschlag, dem Jugendprojekt Arche das Geld zu kürzen, aber auch generell um Machtkämpfe innerhalb der Partei.

Der jüngere Czaja wechselte zur FDP, stieg schnell auf. 2006 zog er ins Abgeordnetenhaus ein, 2011 flog er gemeinsam mit der FDP wieder raus. Zwischendurch holte der gelernte Elektrotechniker noch sein Abitur nach, arbeitete später in der Baubranche. Seine neue politische Heimat mit der FDP fand er in Steglitz-Zehlendorf.

"Berlin"-Schriftzug auf den Schuhen

An dem Januar-Samstag in Zehlendorf trägt Czaja eine modische Daunenjacke, Jeans und weiße Sneaker einer französischen Marke mit rotem "Berlin"-Schriftzug an den Fersen. Eine Sonderanfertigung, nur knapp 1.000 Paare gibt es. Seine Frau habe ihm die geschenkt. Berlin sei ja auch irgendwie Lebensgefühl, und er möge es, wenn Marken das aufgreifen, sagt er. Die Schuhe waren Teil einer Kampagne zum Stadtmarketing, finanziert von der Senatskanzlei der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Kostenpunkt: Rund 100.000 Euro.

Wer will, kann darin ein verstecktes Signal zur Koalitionsbereitschaft mit der SPD sehen. Denn die ist Czajas beste Option auf eine Regierungsbeteiligung, sofern die CDU als Wahlsieger durchs Ziel geht und es für Schwarz-Rot-Gelb reicht. Dafür muss die FDP aber vor allem deutlich über fünf Prozent kommen. Im letzten BerlinTrend standen die Liberalen bei sieben Prozent.

Monothematischer Wahlkampf mit der Verwaltungsreform

Czaja setzt auf eine bewährte Strategie: monothematischer Wahlkampf. 2016 war es die Offenhaltung des Flughafens Tegel, das reichte für den Wiedereinzug ins Parlament. 2021/23 soll es die Reform der Berliner Verwaltung sein. Und Czaja weiß, dass er das bürgernahe aber dröge Thema sexy machen muss: Also fordert er defacto die Abschaffung der Bezirksebene, zugunsten einer effizienten Zentralisierung - und hofft, aus möglichst vielen genervten Berlinerinnen und Berlinern ohne Bürgeramtstermin FDP-Wähler zu machen.

Kritisieren für den Zustand der Verwaltung könnte Czaja vor allem die SPD, die in den letzten sechs Jahren die Innenverwaltung führte. Doch Czaja konzentriert sich vor allem auf die Partei, die mit der FDP wohl kaum koalieren würde: die Grünen. "Wir kämpfen für ein starkes FDP-Ergebnis", erklärt er am Wahlkampfstand. "Um Koalitionen möglich zu machen oder zu verhindern. Weil, die Grüne Bettina Jarasch würde ich nicht zur Regierenden Bürgermeisterin wählen."

Für Czaja sind die Grünen eine Verbotspartei, die den Neubau mit Klimaschutzauflagen verhindern und Autofahrer gegen Radfahrer ausspielen. Nachdem der Versuch der Verkehrssenatorin Jarasch, die Friedrichstraße in Mitte für Autos zu sperren, zunächst scheiterte, war es Czaja, der um Mitternacht triumphierend die Straßensperren wegräumte - inklusive Video für seinen sehr aktiven Instagram-Kanal.

Würde die FDP es tatsächlich schaffen, nicht nur im Parlament zu bleiben, sondern sogar an einer Regierung beteiligt zu werden, könnte Czaja einer der jüngsten Senatoren in Berlins Geschichte werden. Scheitert er, wäre seine Zeit an der Spitze der Berliner FDP vermutlich aber auch noch nicht vorbei: Außer ihm hat die Partei kein stadtweit bekanntes Gesicht.

Sein privates Umfeld habe derzeit nichts von ihm. "Der Wahlkampf lässt wenig Freizeit zu", sagt er. "Freunde und Familie wissen, dass das eine Zeit ist, in der sie auf mich verzichten." Dann muss er los, ab ins Auto, zum nächsten Wahlkampfstand irgendwo in Berlin.

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Beitrag von Sebastian Schöbel

38 Kommentare

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  1. 38.

    "Die Gebenden müssen viel machen um geben zu können. Und sie müssen liberale Gedanken haben um nicht verbitterte Undankbare "die Tür zu weisen"... Nur wenn man ermöglicht kann etwas für alle rauskommen."

    Was für ein dummes, neoliberales Geschwafel! Die "Gebenden" sind die die normalen Arbeitnehmer und nicht die Sozialschmarotzer die prozentual die niedrigsten Steuern bezahlen.

  2. 37.

    Liebe User,

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  3. 36.

    Und was soll ich da lesen? Es bestätigt nur meine Vermutung, der Aussage von 2007, dass diese aus dem Zusammenhang gerissen wurde:
    " Sebastian Czaja, FDP-Abgeordneter aus Hellersdorf, verteidigt die Streichung der „Arche“-Zuwendung: Das Projekt von Pfarrer Siggelkow stünde mit einem jährlichen Spendeneinkommen von rund 1,4 Millionen Euro „auf eigenen Beinen“. Mit den 18 000 Euro der „Arche“ solle nun „eine Vielzahl anderer Projekte“ gefördert werden, 52 Förderanträge seien allein in diesem Jahr gestellt worden. " Was ist daran falsch? Sehe ich genauso wieHerr Czaja.

  4. 35.

    In Parlament sind seit Jahrzenten 4 Parteien , die den von mir in Beitrag #20 beschriebenenn Kriterien entsprechen, wobei die Grünen erst mit der Zeit ihre Ausrichtung erweitert haben.
    Parteien die nicht eindeutig auf dem Boden des GG stehen, oder dem Wähler nicht ein breitgefächeters Angebot machen, die zählen nicht als Angebot für den Zusammenhalt der Gesellschaft, zumindest hierzulande.

  5. 34.

    Woher die Gewissheit? Also gestartet sind wir mit CDU, SPD, FDP und DP etc.
    Dann waren es CDU, SPD, FDP und Grüne.
    Später dann CDU, SPD, FDP, Grüne und PDS(Linke).
    Danach CDU. SPD, FDP, Grüne, Linke und AfD.
    Auf Landesebene gabs irgendwie noch die Piraten.

    Also es ist nicht unwahrscheinlich, dass es mit der Zeit mehr Parteien über die 5%-Hürde schaffen und die Wahlergebnisse gleichen sich mehr und mehr an. Die Folge sind dann größere Koalitionen.

  6. 33.

    Das Kindergeld wird der "Mitte" die Sie meinen wieder abgezogen, bei der Steuererklärung. Die zahlen soviel Steuern mehr als andere, dass dann über die Günstigerprüfung das Kindergeld entfällt.
    Das ist übrigens ein gutes Beispiel, wer in den Augen von bestimmten Politikern als "reich" angesehen wird. (Wobei die Wegnehmgrenze sich immer mehr verschiebt in welche Richtung wohl?) Und wer heute noch glaubt, dies betrifft mich nicht, dem sei gesagt: Warten Sie es ab...

  7. 32.

    "Die Mitte" in Deutschland fährt auch mal Rad und bezieht Leistungen, zum Beispiel Kindergeld.

  8. 30.

    @Alfred Neumann: "Welche Plakate reizen Sie seit 2015 zum Hinsehen?" Warum genau seit 2015, war die Wahlwerbung davor nach Ihrem Dafürhalten grundsätzlich ansprechender?
    Die Bergpartei hat sehr reizvolle Wahlplakate, wie ich finde. Selbstgemacht, zum Nachdenken, auch mal zum Lachen. In dieser Hinsicht sind die für mich ganz weit vorne.

  9. 29.

    Welche Plakate reizen Sie seit 2015 zum Hinsehen? Die FDP-Plakate haben Sie aber ja auch wahrgenommen und genauer angeschaut.

  10. 28.

    Der "Beleg" ist, auch für Landeier, ganz leicht zu finden. Bitteschön:
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/arche-wird-die-forderung-gestrichen-projekt-fur-arme-kinder-stehe-auf-eigenen-beinen-1575424.html

  11. 27.

    Nett wie die fdp-plakate wirkungslos zum Wegsehen reizen da der fdp offensichtlich schlagkräftuge Argumente fehlen.

  12. 25.

    Es ist die Rede von Parteien die eine reele Chance in das Parlament zu kommen, und das sind nur wenige.

  13. 24.

    Unregierbar eher nicht. Es ist vermutlich umgedreht: Eine Dreierkoalition ist so gut wie unmöglich abzuwählen. Ob das gut ist?

  14. 23.

    Mein Beitrag war nicht unbedingt auf die aktuelle Situation in Deutschland bezogen, eher auf die Entwicklungs in einigen EU Ländern.. In Deutschland stellt man die Inteleranz und die Difarmierung des politischen Gegenüber seit Jahren ebenso fest.
    Es war mal anders hierzulande, deswegen mein Beitrag.

  15. 22.

    Die Gefahr besteht aber in Deutschland weder auf Landes- noch auf Bundesebene, da jeder mit einem Minimum an Unterschriften irgendeine Partei wählen kann. In Berlin stehen alleine 33 Parteien am Start.
    Was in Deutschland ehr passieren wird ist, dass wir bald überhaupt keine handlungsfähigen Regierungen mehr haben werden. Und das kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein, denn die Probleme (oder zu neudeutsch Herausforderungen) werden ja nicht kleiner.

  16. 21.

    Also, wenn ich an einem FDP Stand am Hackeschen-Markt vorbei laufe, ist es immer brechend voll dort. Die scheinen dort auch deutlich mehr Wahlkämpfer am Stand zu haben, als man sonst so in der Stadt gewöhnt ist. Nicht, dass ich Czaja jetzt unbedingt wählen würde, aber dass dort wenig Interesse des Bürgers besteht, kann ich im Ganzsatz zur Beitrag Aussage nicht bestätigen. Soviel muss man ihnen zugesehen.

  17. 20.

    Zur einem demokratischen System gehört ein breiteres Spektrum an demokratischen Parteien, mit einer Ausrichtung sowohl nach links, als auch nach rechts von der Mitte, immer auf den Boden des GG.
    Die Bevölkerung ist mannigfaltig, und verdient es bei der Wahl einen Vertreter ihres vetrauens wählen zu können, und wenn dieser Vertreter zeitweise "nur" in der Opposition landet, immerhin kann er auch da als Korrektiv agieren.
    Ergo, eini Parlament, dass nur aus Parteinen mit gleicher Ausrichtung besteht, birgt die Gefahr dass 30-40% der Wähler zu wemig Berücksichtigung finden, und das wäre auf die Dauer eine Gefahr für die Demokratie insgesamt.

  18. 19.

    Mich hat die Breite einer Tram nicht erschreckt. Ich habe zudem Verwandte in Hannover und bin deshalb eher verwundert, dass die hier so kurz sind. Andere leben aber vielleicht schon zu lange in Charlottenburg, um sich an die Abmessungen der Bahnen in Augsburg zu erinnern.

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