Wahlkampf mit Sebastian Czaja - Es grüßt der Mann vom gelben Flyer
Sebastian Czaja ist noch keine 40, führt die FDP aber schon zum dritten Mal in eine Wahl. Die Partei kämpft ums Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde, hofft aber auch auf eine Regierungsbeteiligung. Alles hängt an dem Mann aus Mahlsdorf. Von Sebastian Schöbel
Dieser Text ist Teil einer Reihe von Reportagen, welche die Spitzenkandidat:innen der sechs im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien im Wahlkampf begleiten.
"Guten Morgen, darf ich Ihnen noch was mitgeben?" Sebastian Czaja steht an einem kalten Januarmorgen in Zehlendorf und wirbt um Wählerstimmen. Es ist ein Samstag, viele Leute hier sind auf dem Weg zum Supermarkt ein paar Meter weiter. Auf der Potsdamer Chaussee rauscht der Verkehr vorbei.
Den Stand mit Sonnenschirm in FDP-Gelb sieht man schon von weitem. "Ich mag Mandeln total, schau'n se mal", sagt Czaja zu einer älteren Dame und hält ihr einladend die Dose mit den gezuckerten Nüssen hin. "Dit jeht uff die Fijur", berlinert die Frau herzlich zurück. "Sag ich doch", antwortet Czaja grinsend. "Wir geben Ihrer Stimme Gewicht."
Um schnelle, spontane Antworten war Sebastian Czaja noch nie verlegen. Selbst seine politischen Gegner erkennen an, dass der 39-Jährige zu den besten Rednern im Berliner Parlament gehört. Mit einem Hang zur Arroganz, schieben dann manche noch hinterher. Trotzdem heißt es unter Beobachtern des politischen Betriebs, dass Czaja zuletzt mehr Oppositionsführer war als CDU-Chef Kai Wegner. Vielleicht macht Czajas Partei auch deswegen so offensiv Personenwahlkampf mit seinem Namen und vor allem seinem Gesicht.
Den Herrn Lindner kennt er auch
Wobei das noch nicht immer ganz reibungslos klappt. "Und Sie sind der, der hier drauf steht", fragt ihn eine Passantin am Wahlkampfstand unsicher und zeigt auf den FDP-Flyer. Czaja bejaht. Die Dame zeigt sich zufrieden, sie findet Czaja sympathisch. "Wenigstens haben Sie nicht so eine Piepsstimme wie die Frau Giffey." Czaja lächelt, sagt aber nichts.
Die Begleiterin der Dame wünscht sich dann noch ein Treffen mit FDP-Chef Christian Lindner. "Der ist hier doch mein Nachbar", sagt sie und gestikuliert in die ungefähre Richtung. Ob Czaja den Herrn Lindner nicht mal fragen könne, ob der die Straße einlädt, um sich vorzustellen. "Macht er bestimmt. So gehört es sich doch, wenn man der neue Nachbar ist", verspricht Czaja. "Soll ich ihn fragen? Mache ich, wirklich."
Politisch mit Bruder Mario Czaja entzweit
Zum dritten Mal führt der gebürtige Ostberliner seine Partei in eine Wahl. Der Name Czaja ist in Berlin beinahe Politprominenz: Sein Bruder Mario ist inzwischen CDU-Generalsekretär.
Früher waren sie gemeinsam in Marzahn-Hellersdorf bei den Christdemokraten. Dann knallte es zwischen den Brüdern, es ging unter anderem um Sebastian Czajas Vorschlag, dem Jugendprojekt Arche das Geld zu kürzen, aber auch generell um Machtkämpfe innerhalb der Partei.
Der jüngere Czaja wechselte zur FDP, stieg schnell auf. 2006 zog er ins Abgeordnetenhaus ein, 2011 flog er gemeinsam mit der FDP wieder raus. Zwischendurch holte der gelernte Elektrotechniker noch sein Abitur nach, arbeitete später in der Baubranche. Seine neue politische Heimat mit der FDP fand er in Steglitz-Zehlendorf.
"Berlin"-Schriftzug auf den Schuhen
An dem Januar-Samstag in Zehlendorf trägt Czaja eine modische Daunenjacke, Jeans und weiße Sneaker einer französischen Marke mit rotem "Berlin"-Schriftzug an den Fersen. Eine Sonderanfertigung, nur knapp 1.000 Paare gibt es. Seine Frau habe ihm die geschenkt. Berlin sei ja auch irgendwie Lebensgefühl, und er möge es, wenn Marken das aufgreifen, sagt er. Die Schuhe waren Teil einer Kampagne zum Stadtmarketing, finanziert von der Senatskanzlei der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Kostenpunkt: Rund 100.000 Euro.
Wer will, kann darin ein verstecktes Signal zur Koalitionsbereitschaft mit der SPD sehen. Denn die ist Czajas beste Option auf eine Regierungsbeteiligung, sofern die CDU als Wahlsieger durchs Ziel geht und es für Schwarz-Rot-Gelb reicht. Dafür muss die FDP aber vor allem deutlich über fünf Prozent kommen. Im letzten BerlinTrend standen die Liberalen bei sieben Prozent.
Monothematischer Wahlkampf mit der Verwaltungsreform
Czaja setzt auf eine bewährte Strategie: monothematischer Wahlkampf. 2016 war es die Offenhaltung des Flughafens Tegel, das reichte für den Wiedereinzug ins Parlament. 2021/23 soll es die Reform der Berliner Verwaltung sein. Und Czaja weiß, dass er das bürgernahe aber dröge Thema sexy machen muss: Also fordert er defacto die Abschaffung der Bezirksebene, zugunsten einer effizienten Zentralisierung - und hofft, aus möglichst vielen genervten Berlinerinnen und Berlinern ohne Bürgeramtstermin FDP-Wähler zu machen.
Kritisieren für den Zustand der Verwaltung könnte Czaja vor allem die SPD, die in den letzten sechs Jahren die Innenverwaltung führte. Doch Czaja konzentriert sich vor allem auf die Partei, die mit der FDP wohl kaum koalieren würde: die Grünen. "Wir kämpfen für ein starkes FDP-Ergebnis", erklärt er am Wahlkampfstand. "Um Koalitionen möglich zu machen oder zu verhindern. Weil, die Grüne Bettina Jarasch würde ich nicht zur Regierenden Bürgermeisterin wählen."
Für Czaja sind die Grünen eine Verbotspartei, die den Neubau mit Klimaschutzauflagen verhindern und Autofahrer gegen Radfahrer ausspielen. Nachdem der Versuch der Verkehrssenatorin Jarasch, die Friedrichstraße in Mitte für Autos zu sperren, zunächst scheiterte, war es Czaja, der um Mitternacht triumphierend die Straßensperren wegräumte - inklusive Video für seinen sehr aktiven Instagram-Kanal.
Würde die FDP es tatsächlich schaffen, nicht nur im Parlament zu bleiben, sondern sogar an einer Regierung beteiligt zu werden, könnte Czaja einer der jüngsten Senatoren in Berlins Geschichte werden. Scheitert er, wäre seine Zeit an der Spitze der Berliner FDP vermutlich aber auch noch nicht vorbei: Außer ihm hat die Partei kein stadtweit bekanntes Gesicht.
Sein privates Umfeld habe derzeit nichts von ihm. "Der Wahlkampf lässt wenig Freizeit zu", sagt er. "Freunde und Familie wissen, dass das eine Zeit ist, in der sie auf mich verzichten." Dann muss er los, ab ins Auto, zum nächsten Wahlkampfstand irgendwo in Berlin.