Parlamentspräsidium - Das ist das künftige Spitzen-Trio im Berliner Abgeordnetenhaus
Das Präsidium des Berliner Parlaments wird jünger - mit einem forschen Präsidenten und einer Vize-Präsidentin mit klassischer Aufsteiger-Biografie, die ganz neu ist im Parlament. Doch nicht alles ändert sich. Von Sabine Müller
Es hat Tradition, dass die Jobs an der Spitze des Parlaments oft an Politikerinnen und Politiker vergeben werden, bei denen sich die Karriere eher dem Ende zuneigt und deren politische Lebensleistung belohnt werden soll. Dass es diesmal anders läuft, zeigt schon der Blick auf das Durchschnittsalter des neuen Trios an der Spitze des Parlaments: Es sinkt deutlich von bisher 56 auf 42 Jahre.
Aus dem bisherigen Dreier-Team macht nur CDU-Frau Cornelia Seibeld (47) als Vize-Präsidentin weiter. Die 37-jährige Grüne Bahar Haghanipour soll ebenfalls Vize-Präsidentin werden, der 44-jährige Dennis Buchner von der SPD Präsident. Die drei werden Sitzungen leiten, Gesetze ausfertigen und das Parlament nach außen repräsentieren. Unterstützt werden sie dabei von etwa einem Dutzend Beisitzer:innen.
Buchner: Zwischen Attacke und Diplomatie
Dennis Buchner bringt eine wichtige Voraussetzung dafür mit, Parlamentssitzungen zu leiten: Er lässt sich durch Zwischenrufe gewöhnlich nicht aus der Ruhe bringen. Attacke kann der Mann aus Pankow auch, aber als Präsident wird er seine spitze Zunge in Zukunft etwas zügeln müssen. SPD-Fraktionschef Raed Saleh habe keinen Zweifel daran, dass Buchner auch Moderator genug ist für den Job als Parlaments-Präsident: "Dennis Buchner ist ein Vollblutpolitiker, aber auch Diplomat und sehr starker Versöhner."
Der Pankower nennt es als sein großes Ziel für die Zeit als Präsident des Abgeordnetenhauses, Politik zugänglich zu machen für alle: "Deswegen sollten wir in den nächsten Jahren viel dafür tun, dass das hier kein abgeschottetes Haus ist, dass auch Politikerinnen und Politiker nicht abgeschottet arbeiten und leben und es sehr direkte Kontakte zu den Leuten in dieser Stadt gibt." Wenn es nach ihm gehe, werde die Arbeit des Parlamentspräsidiums "neuer, frischer, anders - und öffentlichkeitswirksamer".
Als Frischling gleich auf die Präsidiumsbank
Bahar Haghanipour muss sich in den nächsten Wochen und Monaten gleich in zwei neue Jobs einarbeiten: Sie sitzt zum ersten Mal überhaupt als Abgeordnete im Parlament und soll dann gleich Vize-Präsidentin werden. Der 37-Jährigen, die über die Landesliste einzog, ist klar, dass sie einen Lernprozess vor sich hat: "Ich werde in die Rolle reinwachsen und das ist der gesamten Fraktion auch bewusst, dass sie mir die Zeit geben muss. Der Rückenwind ist aber da und ich bin zuversichtlich, dass dieser Wind mich die nächsten fünf Jahre auch trägt."
Mit der Nominierung der Neuköllnerin wollen die Grünen ein Zeichen setzen, schrieben sie in der Nominierungs-Mitteilung: "Mit ihr spiegeln wir die Vielfalt Berlins auch im Präsidium des Landesparlaments ein Stück weit wider."
Haghanipours Familie kam 1989 aus Teheran nach Berlin, die ersten Jahre verbrachte sie in einer Flüchtlingsunterkunft. Die promovierte Soziologin betont, sie sei auch wegen ihrer Kompetenz in der Frauen- und Gleichstellungspolitik für den Vize-Posten ausgewählt worden. Diese Fragen könne sie auf der neuen Position gut herausstreichen. Mit eventuellen Angriffen oder Pöbeleien im Parlament wolle Bahar Haghanipour selbstbewusst umgehen: "Man hat ja Instrumente zur Hand, die man nutzen kann, wenn es zum Beispiel unanständige Zwischenrufe gibt. Und ich glaube, mit dem frauen- und gleichstellungspolitischen Hintergrund habe ich auch die Sensibilität dafür, das herauszuhören und einzuordnen."
Vom Nesthäkchen zur Seniorin
Bisher war CDU-Frau Cornelia Seibeld mit ihren 47 Jahren die Jüngste im Präsidium, in Zukunft ist sie der "alte Hase". Die Juristin habe allerdings nicht vor, den beiden Neuen ungefragt gute Ratschläge zu geben, sagt sie. Aber sie betont, dass sie für Fragen gerne zur Verfügung stehe.
Seibeld begrüße es ausdrücklich, dass das Präsidium jetzt jünger wird: "Ich finde das gut, dass es nicht mehr der Abschluss der Karriere ist, das unpolitische Repräsentationsamt." "Unpolitisch" sei der Job ohnehin nicht. Natürlich sei man als Präsidiumsmitglied eingeschränkter in der Frage, wie kontrovers man formuliere und Positionen besetze. Aber gleichzeitig werde man öffentlich deutlich mehr wahrgenommen und könne viel bewirken, wenn man wichtige Themen fraktionsübergreifend anspreche. Als Beispiel nennt die kirchenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion den Kampf gegen Antisemitismus.
Mit Dennis Buchner teilt Cornelia Seibeld das Ziel, die Politik näher an die Menschen zu bringen, gerade auch junge Leute zu begeistern. Und das sei einfacher, glaubt sie, wenn sich die Politikerinnen und Politiker im Präsidium nicht schon auf der Abschiedsrunde befänden.
Tour durch die Fraktionen
In der kommenden Woche werden die drei Nominierten die anderen Fraktionen besuchen, sich vorstellen und für sich werben. Das können sie recht gelassen tun, weil sie nicht befürchten müssen, bei der konstituierenden Sitzung am 4. November abgelehnt zu werden. Denn auch wenn das Präsidium gerade kräftig umgebaut wird - mit einer Tradition wird das Abgeordnetenhaus nicht brechen: Wenn Fraktionen Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen, werden sie in aller Regel auch gewählt.
Sendung: Inforadio, 27.10.2021, 7:25 Uhr