Kommentar | Berlin-Wahl - Giffey muss mit der SPD um den künftigen Kurs ringen
SPD und Grüne lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das die Sozialdemokraten erst spät gewinnen konnten. Über den künftigen Kurs der Partei teilen nicht alle die Vorstellung von Spitzenkandidatin Franziska Giffey. Ein Kommentar von Thorsten Gabriel.
Es gibt Wahlabende, bei denen um 18 Uhr alles gesagt ist. Und dann gibt es Abende wie gestern, die auch am Schluss noch mehr Fragen aufwerfen, als sie Antworten geben.
Okay, Gewinner und Verlierer stehen fest:
· Die SPD hat es nochmal geschafft, ist wieder stärkste Kraft geworden - nun mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey.
· Die Grünen haben ordentlich zugelegt, es aber letztlich nicht vor die SPD geschafft.
· Die CDU hat sich gegenüber der Wahl vor fünf Jahren leicht verbessert.
· Die Linke hat an Zuspruch eingebüßt.
· die FDP ist nahezu konstant geblieben.
· die AfD hat sich fast halbiert und ist nun einstellig.
Unterschiedliche Vorstellungen
Und nun? Es mangelt nicht an Koalitionsmöglichkeiten. Das Problem ist eher, dass die führende Partei in ihrer Breite eine andere Vorstellung vom künftigen Kurs hat als die Spitzenkandidatin. Viele in der SPD wünschen sich eine Fortsetzung des Bündnisses mit Grünen und Linken. Franziska Giffey dagegen macht kaum ein Geheimnis daraus, dass sie insbesondere auf die Linken keine große Lust hat. Stattdessen wird ihr nachgesagt, lieber mit der CDU koalieren zu wollen.
Hätte Giffey haushoch gewonnen, wären die Machtverhältnisse klar: "Seht her, ich hab euch aufs Siegertreppchen gebracht – jetzt gebt mir, was ich haben will!" Doch dafür fällt das Ergebnis zu knapp aus. Zu lange musste in der Wahlnacht gezittert werden, wer am Ende wirklich vorn liegt. Es ist ein Ergebnis, das der Siegerin auch Demut abverlangt.
Stoppkelle für die AfD
Aber ganz gleich, was am Ende rauskommt – viel wichtiger wird sein, dass Giffey für einen neuen Politikstil in der Berliner Landespolitik sorgt. Rot-Rot-Grün hat in den vergangenen fünf Jahren jeden noch so kleinen Streit offen auf dem Markt ausgetragen. Das hat am Ende niemandem geholfen.
Abseits dieser Zukunftsfragen hat der Wahlabend aber zumindest eines klargestellt: Die Berlinerinnen und Berliner haben der AfD die Stoppkelle vorgehalten. Eine Partei, die es unterlässt, sich gegen Neonazis und rechtsradikale Hetze abzugrenzen, hat es nicht anders verdient.
Noch dazu zeigte sich in den vergangenen fünf Jahren, dass die AfD außer ihrem Stammtischthema, der Asyl- und Zuwanderungspolitik, keinerlei thematisches Profil besitzt, mit dem sie hätte punkten können. Ihr Abstürzen ist ein gutes Signal, das von Berlin ausgeht. Eines, das bundesweit Schule machen sollte.