Linke macht Wahlkampf gegen SPD - Rot sieht rot
Fünf Wochen vor der Wahl gehen vor allem die Linken auffällig oft mit dem sozialdemokratischen Koalitionspartner in den Clinch. SPD-Spitzenkandidatin Giffey distanziert sich derweil klar von Kernthemen der r2g-Koalition - was die Linken in eine schwierige Lage bringt. Von Sebastian Schöbel
Klaus Lederer zieht sich warm an - sprichwörtlich: Zum Beginn des kleinen Parteitags der Linken am Dienstagabend, auf dem sich die Partei nochmal für die heiße Phase des Wahlkampfs einschwört, bekommt der Spitzenkandidat eine knallrote Trainingsjacke geschenkt. In der sieht selbst der eher schmal gebaute Lederer angriffslustig aus. Doch dann lobt der Kultursenator zunächst die Arbeit der letzten fünf Jahre. "Die Richtung von r2g stimmt, die Bilanz der vergangenen fünf Jahre ist so schlecht nicht."
Schubert: "Wer Mietenwahl will, darf nicht SPD wählen"
Aber dann folgt, was so eine Art inoffizielles Leitthema des Linken-Wahlkampfs geworden ist: Der Hauptgegner für die Linken scheint in diesen Tagen weniger die CDU, FDP oder AfD zu sein, sondern vor allem die SPD. Denn deren Spitzenkandidatin, Franziska Giffey, distanziere sich gerade merklich von den Errungenschaften der vergangenen fünf Jahre, kritisiert auch die Linken-Landeschefin Katina Schubert. Gemeint ist vor allem Giffeys Ablehnung des Mietendeckels und der Enteignung von Immobilienkonzernen, aber auch ihre Forderung nach Wohnungsneubau - bei der immer der Vorwurf mitschwingt, das von den Linken geleitete Stadtentwicklungsressort habe genau dabei versagt. "Das kann es nicht sein", ruft Schubert vom Podium. "Wer wirklich eine Mietenwahl will und will, dass wir den Weg von rot-rot-grün weitergehen, darf nicht SPD wählen – und schon gar nicht Frau Giffey."
Lederer wirft Giffey derweil ganz offen vor, bereits eine Koalition mit CDU und FDP vorzubereiten. "Wir haben von 2011 bis 2016 den Stillstand in Berlin erlebt, den SPD und CDU verantwortet haben. Das kann sich Berlin nicht noch einmal leisten." Doch nicht nur die Wohnungspolitik entzweit die Koalition. So fordert die Linke auch, dass Berlin nun weitere Kredite aufnimmt, um Berlin mit öffentlichen Investitionen aus der Coronakrise zu führen - bevor die Schuldenbremse wieder greift. Genau das aber stößt bei Grünen und Sozialdemokraten auf Widerstand. Sehr zum Ärger der Haushaltsexperten der Linken, Steffen Zillich: "Das ist eine riesenhafte Differenz mit unseren Koalitionspartnern, das muss man mal sagen. Der Senat und die Koalition haben im Moment nicht die Kraft, eine solche Entscheidung zu treffen."
Umfragen: r2g hat (noch) eine Mehrheit
Was am Ende des kleinen Parteitags der Linken allerdings auch
ein grundsätzliches Problem deutlich macht: Als derzeit Viertplatzierte
in den Umfragen ist die Linke auf SPD und Grüne angewiesen, wenn sie
weiter mitregieren will, trotz allen Ärgers. Weswegen Klaus Lederer
beinahe flehentlich klingt, als er sagt: "Lasst uns dafür sorgen, dass
die letzten fünf Jahre nicht einfach abmoderiert werden."
Hält
der Trend der aktuellen Umfragen, können SPD, Grüne und Linke im
September erneut auf eine Mehrheit hoffen. Ob sie allerdings auch Lust
auf weitere fünf Jahre miteinander haben, wird inzwischen immer
fraglicher.