Berliner Spitzenkandidaten | Sebastian Czaja (FDP) - Sie sollen den Macher kennen lernen
Jung, dynamisch, kämpferisch – so präsentiert sich der FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja. Seine Partei hat ihren Wahlkampf auf den 38-Jährigen zugeschnitten. Von Kirsten Buchmann
Ein FDP-Wahlstand in der Clayallee im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, davor mit weißem Hemd und schwarzer Steppweste der Spitzenkandidat der Liberalen, Sebastian Czaja. Er blickt um sich. "Hallo", grüßt er eine Frau mit markanter schwarzgerahmter Brille und bläulich getönten Gläsern. Sie fragt freundlich nach: "Jetzt weiß ich aber nicht, wo ich Sie hinstecken soll." - "Ich gehöre zur FDP. Ich bin Sebastian Czaja, der Spitzenkandidat der FDP zur Abgeordnetenhauswahl", stellt er sich vor. "Ah ja", sagt die Passantin. Da wo sie wohne, stehe ein Großplakat von jemand anderem, noch nicht seins. "Dann können Sie mich jetzt kennen lernen", antwortet Czaja.
Damit sich der Spitzenkandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl möglichst jedem, der an diesem Tag am FDP-Wahlstand in der Clayallee vorbeikommt, einprägt, steht dort zudem ein großes Czaja-Porträt. Seine eine Gesichtshälfte ist in blaues, die andere in pinkfarbenes Licht getaucht. Den Blick nach schräg oben in die Ferne gerichtet, erinnert er an eine Figur aus einem Science-Fiction-Film. Als Macher inszeniert sich Sebastian Czaja. "Holen wir uns die Zukunft", steht unter seinem Bild.
Anpacken und gestalten
"Ich habe Lust, in dieser Stadt anzupacken und diese Stadt zu gestalten. Deshalb bewerbe ich mich als Spitzenkandidat mit 38 für die Abgeordnetenhauswahl", sagt der FDP-Politiker.
An der Clayallee fragt er nach, was die Stadt für die Zukunft brauche. Czaja steuert in seinen weißen Turnschuhen ein paar Schritte auf ein Obstgeschäft zu. Eine Antwort: Gute, zuverlässige Fachkräfte zu finden, sei schwierig.
In einem Geschäft für Pralinen und Kaffee in der Nähe erkundigt Czaja sich, wie es der Unternehmerin geht und ob sie gut durch die Pandemie gekommen sei. – "Ja, wird dürften ja öffnen", sagt die Geschäftsfrau. Allerdings würde sie gerne ihre Tische und Stühle weiter ausbreiten, "mit dem Ordnungsamt hier habe ich da ein bisschen Sorge."
Der Zollstock vom Ordnungsamt
Bei dem Thema ist Czaja in seinem Element: "Das ist schon absurd: erst die Pandemie und dann der Zollstock vom Ordnungsamt." In seiner Stimme schwingt Ungeduld mit. Die FDP dagegen wolle mehr Großzügigkeit für die Gastronomen und Betriebe, damit sie besser wirtschaften könnten.
Der rot-rot-grünen Koalition wirft er schon lange Verantwortungslosigkeit vor, auch wegen der schleppenden Digitalisierung der Verwaltung und in Schulen sowie wegen zu wenig Wohnungsbau. Seine Botschaft: Die FDP wird es besser machen. Wohnungen müssten gebaut statt nur gekauft werden. Die Verwaltung müsse modernisiert werden, mit Digitalisierung, aber durch bessere Service-Angebote. Im Verkehr müsse es zusätzliche Angebote geben statt Verbote.
"Wir lebten in einem völlig neuen Land"
Wenn es um Bildung und speziell um Aufstieg durch Bildung geht, bringt Czaja auch schon mal seine eigene Biografie ins Spiel. DDR-Herkunft, sechs Jahre alt, als die Mauer fiel – Aufbruchsstimmung, so erzählte er auf einem Parteitag: "Wir lebten in einem völlig neuen Land, das uns Wohlstand versprach, wenn wir uns anstrengten." Seine Mutter war Krankenschwester, sein Vater Elektroinstallateur. Sebastian Czaja selbst machte eine Lehre als Elektrotechniker und schließlich das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg.
Er befindet: "Fleiß zahlt sich aus." Den Menschen in Berlin will er ermöglichen, dass sie "Architekten ihres eigenen Lebens werden". Als Architekt seines Lebens in der Politik will er für Berlin nun den Regierungswechsel erreichen. "Berlin steht vor einer Richtungswahl. Die Chancen waren nie so gut, dass ein Richtungswechsel herbeigeführt werden kann."
Chef der kleinsten Abgeordnetenhausfraktion
Was eine Koalitionsaussage angeht, mit wem er gerne regieren würde, da hält er sich fast alles offen, außer mit der Linken und mit der AfD.
Momentan ist Sebastian Czaja Chef der kleinsten Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 kam die FDP – auch da bereits mit ihm als Spitzenkandidaten – auf 6,7 Prozent der Stimmen. Mit einem zentralen Thema, mit der Kampagne, den Flughafen Tegel offen zu halten, punktete Czaja damals bei den Wählern und brachte die FDP wieder ins Parlament. Davor, in der Wahlperiode bis 2016, war sie nicht im Abgeordnetenhaus vertreten. Diesmal, bei der Wahl am 26. September, wollen Sebastian Czaja und die Berliner FDP zweistellig werden und mitregieren. Laut Umfragen im August verlor die FDP allerdings gegenüber der vorherigen Erhebung einen Prozentpunkt und kam auf acht Prozent.
Ein Haken könnte für die Liberalen diesmal womöglich sein, dass die Freien Wähler ihnen Stimmen abknöpfen. Für sie kämpft Marcel Luthe, ehemals FDP, der wegen eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses aus der Abgeordnetenhausfraktion der Liberalen ausgeschlossen worden war.
Praller Wahlkampf-Terminkalender
Die Wahl rückt näher. Sebastian Czaja am Stand, auf Kiez-Tour und bei Unternehmensbesuchen, sein Kalender ist prall gefüllt mit Terminen kreuz und quer durch die Stadt. Im Beliebtheit-Ranking der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Parteien landete Sebastian Czaja laut Umfragen im August inzwischen auf dem dritten Platz, nach Franziska Giffey von der SPD und Linken-Politiker Klaus Lederer. 18 Prozent zeigten sich zufrieden, zwei Prozent sehr zufrieden mit Czajas politischer Arbeit. 38 Prozent der Befragten kannten ihn zu dem Zeitpunkt nicht.
Und wie kommt Sebastian Czaja an diesem Tag bei den Wählerinnen und Wählern in der Clayallee an? Die Dame mit der bläulich getönten Brille, der Czaja anfangs noch unbekannt war, ist ohnehin für die FDP.
Die Verkäuferin im Obstgeschäft sagt über Czaja: “„Ganz nett, ist ein hübscher Mann." Czaja erinnert sie rasch mal daran, weshalb er da ist, indem er ihr das FDP-Magazin in die Hand drückt: "Sie kriegen auch einen Inhalt, wenn Sie mögen." Der Obsthändler findet Czaja "sympathisch". Er bleibt aber auch nach seinem Besuch noch unentschieden, welche Partei er bei der Abgeordnetenhauswahl am 26. September wählen wird.