Berlin-Wahl 2021 | Sonstige Parteien - Die Kleinen bleiben klein
28 kleine Parteien haben vergeblich um den Einzug ins Berliner Parlament gekämpft – zusammen sind sie auf immerhin 12,5 Prozent der Zweitstimmen gekommen. Was steckt hinter den fünf stärksten der Kleinstparteien und deren Erfolg oder Misserfolg?
Zusammen wären sie die fünftstärkste Fraktion im neuen Abgeordnetenhaus, noch vor der AfD und den Liberalen: die "sonstigen Parteien". Doch selbstverständlich kann von Einigkeit bei den 28 kleinen Parteien, die um den Einzug ins Berliner Parlament gekämpft haben, nicht die Rede sein. Zu unterschiedlich sind die programmatischen Ausrichtungen. Bemerkenswert sind die Ergebnisse allerdings trotzdem, schließlich entfielen bei dieser Abgeordnetenhauswahl insgesamt 12,5 Prozent der Zweitstimmen auf Parteien, die letztlich nicht ins Parlament einziehen werden. Deswegen soll an dieser Stelle ein Blick auf die fünf Kleinstparteien geworfen werden, die bei der Wahl am Sonntag bei den Zweitstimmen am besten abgeschnitten haben.
Die Tierschutzpartei - die erfolgreichste Kleinstpartei
Die erfolgreichste Kleinstpartei bei dieser Wahl ist die Tierschutzpartei. Rund 40.000 Menschen gaben ihr die Zweit- und sogar fast 61.000 Menschen die Erststimme. Damit verbessern die Tierschützer erneut ihr Wahlergebnis und haben inzwischen fast viermal so viele Wählerinnen und Wähler als vor 15 Jahren. Im Bund verbesserten sie sich auf fast 675.000 Stimmen, fast doppelt so viel wie 2017.
Ihren größten Erfolg aber feiern die Tierschützer nicht auf Landes-, sondern auf Bezirksebene: Erstmals ist es der Tierschutzpartei gelungen, Sitze in Bezirksverordnetenversammlungen zu gewinnen. In Spandau, Treptow-Köpenick und Lichtenberg stellen sie künftig je zwei Bezirksverordnete, in Marzahn-Hellersdorf sogar drei - und könnten dort sogar eine entscheidende Rolle bei der Bezirksbürgermeisterwahl spielen.
Tierschutzpartei kritisiert "unfaire Anti-Werbung"
Dass es nicht mehr geworden sind, lasten die Tierschützer den Grünen an. Die hätten immer wieder dazu aufgerufen, keine Stimme an die Tierschutzpartei zu "verschenken" und die Wahl 2021 zur letzten Chance im Kampf gegen den Klimawandel stilisiert. "Wir verstehen zwar alle Menschen, die sich aus diesem Grund für eine der Parteien entschieden haben, die sicher in den Bundestag einziehen und hoffen selbstverständlich nun ebenfalls auf eine Regierung ohne CDU und CSU", teilte die Tierschutzpartei mit.
Allerdings hoffe man, "dass diese unfaire Anti-Werbung 2025 nicht wiederholt wird. Je stärker wir werden, desto stärker ist der Druck auf den gesamten Bundestag, sozialer, klima- und tierfreundlicher zu sein."
Die Partei - zwei Sitze in der BVV von Friedrichshain-Kreuzberg
Martin Sonneborn, der langjährige Europa-Abgeordnete und Ober-Politsatiriker, sollte "Die Partei" ins Berliner Abgeordnetenhaus führen - allerdings nur als Maskottchen, von einem hinteren Listenplatz aus. Für ein paar bissige Plakate, vor allem gegen Rechtsextreme, und eine Menge beißender Kritik am politischen Status Quo, hat es dennoch gereicht. Am Ende stehen 33.000 Zweitstimmen zu Buche und damit Platz 2 hinter der 5-Prozent-Hürde.
Die Ausgründung des Satiremagazins "Titanic", mit der vor allem Sonneborn medial immer wieder auf Missstände in der Politik aufmerksam machen will, gehört schon seit einigen Jahren fest zur Berliner Politiklandschaft, bisher mit (langsam) wachsendem Zulauf. Kandidaten und Kandidatinnen findet die bunte Truppe inzwischen für fast alle Ebenen der Politik. Die Zahl der Zweitstimmen insgesamt stagnierte nun allerdings erstmals, der Einzug ins Abgeordnetenhaus wurde erneut klar verfehlt. Mehr als drei Prozentpunkte holt "Die Partei" eigentlich nur in Friedrichshain-Kreuzberg, das Projekt bleibt abhängig von charismatischen Einzelkandidaten und -kandidatinnen - und einer Wählerschaft, die empfänglich für politischen Humor ist.
Für zwei Sitze in der BVV von Friedrichshain-Kreuzberg hat es dann aber doch noch gereicht. Die letzte Pointe ist offenbar noch nicht erzählt.
Die Basis - Protestpotential kann nicht mobilisiert werden
Für "die Basis" war es der erste Anlauf, um in das Berliner Abgeordnetenhaus zu kommen. Es reichte für rund 30.000 Erst- und knapp 23.000 Zweitstimmen. Für die aus den Protesten gegen die Pandemiemaßnahmen entstandene Partei muss das eher als Niederlage gewertet werden: Nach zahlreichen Demos in der Hauptstadt, mit zum Teil zehntausenden Teilnehmern, und jeder Menge aufgestautem Corona-Frust, hatte sich "die Basis" sicherlich mehr ausgerechnet. Doch das Mobilisierungspotential der Proteste war augenscheinlich nicht hoch genug - wohl auch, weil viele der Teilnehmenden gar nicht aus Berlin kamen, sondern aus anderen Bundesländern angereist waren.
Die drängendsten Fragen der Berlinerinnen und Berliner kreisten eher um Themen wie Klimaschutz, Verkehr, Jobs und Wohnen - Fragen, auf die es bei "die Basis" keine Antworten gab. Die Partei hatte sicherlich auch damit zu kämpfen, dass ein Großteil der Menschen in der Hauptstadt die Coronamaßnahmen stets befürwortet hat. Dass "die Basis" Verbindungen zu Querdenkern, Verschwörungsideologen und Rechtspopulisten hat, war sicherlich auch eher nicht hilfreich.
Volt - viel Straßenwahlkampf einer jungen Bewegung
Ebenfalls enttäuscht dürfte man bei der neuen pro-europäischen Partei "Volt" gewesen sein: Nur knapp 20.000 Stimmen konnte die junge Bewegung bei der Abgeordnetenhauswahl gewinnen. Gemessen an dem intensiven Straßenwahlkampf und der extrem internet-affinen Selbstvermarktung ist das ein ernüchternder Wert - gerade in einer Stadt, die wie gemacht ist für die Volt-Botschaften.
Größtes Problem für Volt war vermutlich, dass sich das lila Wahlprogramm wie eine Kopie des grünen Programms las - nur mit etwas dynamischerem Layout und programmatischen Einsprengseln von Linken und Liberalen, passend zur Lebenswelt einer internationalen, akademisch ausgebildeten Wählerschicht. Einen Mangel an europafreundlichen, progressiven Angeboten gab es demnach nicht, entsprechend schwer war es für Volt, Wähler und Wählerinnen zu überzeugen.
Die Partei um Ex-CDUler Todenhöfer
"Team Todenhöfer" ist ein Projekt des Ex-CDU-Bundestagsabgeordneten Jürgen Todenhöfer. Die Kleinstpartei trat erstmals zur Abgeordnetenhauswahl von Berlin an und scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. 18.700 Zweitstimmen konnte die erst im Herbst 2020 gegründete Partei einsammeln. Die Gründung fand am 80. Geburtstag des Namensgebers vor dem Brandenburger Tor als Kundgebung statt. Das Team um Todenhöfer kam schon da kaum zu Wort – es sprach fast nur der Hauptakteur selbst, stets in eine schwarze Lederjacke gekleidet.
Todenhöfer, der nicht nur Ex-CDUler und Ex-Burda-Manger ist, sondern auch Kriegsreporter und Schriftsteller empfahl sich sogar bei dieser Wahl gleich selbst als Kanzler. Kernthemen seiner Partei sind Entwicklung und Abrüstung, Versöhnung zwischen Ost und West und die Ablehnung von Atomwaffen. Konkret fordert die Partei den Stopp aller Militäreinsätze, eine Deckelung von Parteispenden, weniger Steuern, den Bau von einer Million klimafreundlicher Wohnungen oder Häuser jährlich und die Ausweitung des Elterngeldes auf drei Jahre.
"Der Aufstand des Anstands – mein Plan für Deutschland" heißt das neuste Buch von Jürgen Todenhöfer, in dem neben dem Parteiprogramm Infos über seine Projekte und seine Unterstützung für die Unterdrückten der Welt zu finden sind. Der Plan wird wohl - sowohl für Deutschland als auch für Berlin - vorerst noch in der Schublade bleiben müssen.
Sendung: Abendschau, 26.09.2021, 19:30 Uhr