Wahlwiederholung in Berlin - Berliner Grüne küren Bettina Jarasch mit deutlicher Mehrheit zur Spitzenkandidatin
Bei der Wiederholung der Berlin-Wahl im Februar soll Bettina Jarasch die Grünen zum Sieg führen. Beim Kleinen Parteitag stimmten 92,5 Prozent der Delegierten dafür, dass sie für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin antreten soll.
Die Berliner Grünen haben am Samstagmittag Bettina Jarasch zu ihrer Spitzenkandidatin für die Wahlwiederholung am 12. Februar gewählt. Für die amtierende Verkehrs- und Umweltsenatorin stimmten beim Kleinen Parteitag in Berlin 37 von 40 anwesenden Delegierten, was einer Zustimmung von 92,5 Prozent entspricht. Die 53-Jährige führte die Grünen bereits im Vorjahr in den Wahlkampf.
Laut Urteil des Landesverfassungsgerichts müssen die Parteien mit denselben Bewerberinnen und Bewerbern antreten wie am 26. September 2021 - das gilt für Listen- wie für Direktkandidaten. Gleichwohl kürten die Grünen Jarasch nochmals zur Spitzenkandidatin. Das wäre eigentlich nicht nötig gewesen, war von der Spitze der Partei aber als Signal gedacht, um Jarasch den Rücken zu stärken.
"Wir packen das", rief Jarasch zuvor in ihrer Bewerbungsrede vor den Delegierten. Es komme in solchen Zeiten nicht darauf an, wer die größten Versprechungen mache, "und wer am lautesten schreit." Es komme darauf an, Versprechen auch umzusetzen.
Graf: "Mehr um Berlin als im Instagram kümmern"
Jarasch machte klar, dass sie weiter mit der SPD und der Linken regieren wolle, aber als Anführerin dieses Bündnisses: "Berlin hat eine neue Führung verdient, und ich bin bereit, diese Führung zu übernehmen." Die Verkehrssenatorin kündigte tiefgreifende Reformen an, vor allem eine "radikale Verwaltungsreform". Nach ihrem Willen sollen doppelte Zuständigkeiten - sogenanntes Behörden-Pingpong - vermieden werden.
"Man sollte meinen, dass das nicht gerade ein sexy Thema ist. Aber nach dem Wahldebakel, dass es überhaupt jetzt zu einer Wahlwiederholung kommt, ist es ein Thema, dass die Leute umtreibt, weil es zeigt, dass die Stadt nicht funktioniert", sagte Jarasch in der rbb24 Abendschau. Es gebe viele Alltagsbeispiele wie Anwohner-Parkausweis, Müll wegräumen, Kältehilfe im Winter organisieren für Obdachlose, wo es diese Pingpong-Spiele gebe. "Wir sind den Menschen eine funktionierende Stadt schuldig", so Jarasch.
Bisher sei es nicht so gewesen, dass die angepackt wurde. Eine Verwaltungsreform war im aktuellen Koalitionsvertrag vereinbart. "Denn das Problem ist ja nicht ganz neu", betonte Jarasch. Es habe in den 1990ern Reformen gegeben, die die Zuständigkeiten zwischen Bezirken und Land eben nicht klar verteilt haben. "Es ist nichts passiert. Es hätte aus der Senatskanzlei kommen. Das muss man von oben steuern", klagte Jarasch.
Jarasch übte Kritik an Koalitionspartner SPD
Die 53-Jährige übte deutliche Kritik am Koalitionspartner SPD, vor allem an der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey und dem jetzigen Bausenator Andreas Geisel, der bei der letzten Wahl Innensenator war. "Eins geht nicht: Erfolge für sich allein reklamieren, und sich gleichzeitig wegducken, wenn die Stadt nicht funktioniert, wie sie soll." Geisel hatte einen Rücktritt abgelehnt. Er sei für die Aufsicht der Wahl zuständig gewesen, nicht aber für deren Organisation.
Dass sich Zuständigkeiten ändern müssten und klarer werden, zwischen Senat und Bezirken, forderte auch Grünen-Fraktionschef Werner Graf: "Wir müssen Berlin ein Update verpassen und die Prozesse vom Kopf auf die Füße stellen. Dafür fehlt bisher der Wille, und der muss wirklich aus dem Roten Rathaus kommen." Graf griff die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey an: "Berlin hat es verdient, dass im Roten Rathaus eine Frau sitzt, die sich mehr um Berlin als um Instagram kümmert."
Jarasch will Klima-Volksentscheid am Wahltag abhalten
Jarasch kündigte an, gerade bei der Mobilitätswende und beim Kampf für bezahlbares Wohnen mehr Tempo machen zu wollen. Und: Der Klima-Volksentscheid müsse am Wahltag, also am 12. Februar 2023, mit abgestimmt werden.
Die Senatsinnenverwaltung hatte zuvor mitgeteilt, dass der Volksentscheid eher nicht am Tag der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl stattfinden werde. Da die zusätzliche Organisation des Volksentscheids in der Kürze eine enorme Herausforderung wäre.
Grüne fordern "politisches Bezirksamt"
Ein programmatischer Schwerpunkt der Grünen im Wahlkampf ist die Forderung nach einer umfassenden Verwaltungsreform, wie Jarasch und andere Redner auf dem Kleinen Parteitag deutlich machten. Nötig sei eine klarere Aufgabenverteilung zwischen Landesebene und Bezirken, damit die Stadt wieder funktioniere. Die Grünen plädieren für ein "politisches Bezirksamt": Bezirksbürgermeister und -stadträte sollen also nach ihrem Willen in Zukunft stärker als bisher entsprechend der Wahlergebnisse für die Bezirksparlamente gewählt werden.
Der Verfassungsgerichtshof hatte am Mittwoch entschieden, dass die Wahl zum Abgeordnetenhaus komplett wiederholt werden muss. Die Abstimmung sei wegen "schwerer systemischer Mängel" und vieler Wahlfehler ungültig. Am Freitag wurde der Wahltermin im Berliner Amtsblatt veröffentlicht.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.11.2022, 19:30 Uhr
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